Produktionsgeschichte
Chris Sanders erschafft Stitc
Die Idee zu einer Figur wie Stitch hatte Chris Sanders schon 1985.
Sanders kam gerade frisch von der Schule und arbeitete an seiner
ersten Anstellung als Animator. Zu seinem eigenen Vergnügen
zeichnete er eine monströse Gestalt, deren Kopf dem des heutigen
Stitchs schon sehr nahe kam. Sanders gefiel diese Figur und spielte
mit dem Gedanken, dieser Figur eine Plattform bieten zu können. Dazu
dachte er sich verschiedenste Plots aus, in denen dieser Charakter
brillieren könnte. Nachdem sich Sanders für einen Ansatz entschied
und anfing an der Geschichte zu arbeiten, entwickelte er sie so
lange weiter, bis er irgendwann hängen blieb und nicht weiter voran
kam. Also legte er die Figur bei Seite, ohne sie aber völlig zu
vergessen. 1997, während der Arbeit an Mulan, kam Chris Sanders
diese Figur erneut in den Sinn. Sanders wollte eine einfache,
figurenbetonte ´Geschichte schreiben und diese Eigenkreation
Sanders' sollte die Hauptrolle in ihr spielen. In den frühen
Versionen dieser Handlung war Stitch kein Außerirdischer, sondern
ein Monster aus dem Weltall, dass seine Herkunft nicht kennt. Auf
der Suche nach seinen Wurzeln begegnete Stitch zahlreichen anderen
Tieren. Daraus entwickelte Sanders die Idee, dass Stitch nicht nur
ein Außenseiter sein könnte, sondern sogar ein Außerirdischer, der
auf die Erde verbannt wurde, weil er etwas schlimmes getan hatte.
Der Ort, an den man Stitch gebracht hatte war anfangs noch das
ländliche Kansas und spielte weiterhin komplett in der Tierwelt.
Chris Sanders & Dean DeBlois teilen sich eine Vision
Als Sanders sein Projekt Thomas Schumacher dem damaligen Präsidenten
von Walt Disney Feature Animation vorstellte, schlug dieser vor, die
Geschichte in der Menschenwelt spielen zu lassen. Dies sollte den
Kontrast zwischen Stitch und der restlichen Welt noch weiter
verstärken. Sanders nahm diesen Vorschlag an und begann mit Dean
DeBlois zusammen zu arbeiten um das Projekt weiter zu
konkretisieren.
Als das Projekt um Lilo und Stitch (damals noch ohne Lilo) in der
Storyentwicklung an den Punkt angelangt war, dass der außerirdische
Stitch in der Menschenwelt des ländlichen Kansas stranden soll,
machte Chris Sanders einen Urlaub in Hawaii.
Als sich Sanders während seinem Urlaub eine Karte von Hawaii ansah,
bemerkte er die vielen kleinen, durch das Wasser von der Umwelt
isolierten Inseln. Durch die Isolierung, so dachte Sanders, wäre
Hawaii ein ideales Setting für sein Projekt. Sanders begann
daraufhin über die vielfältige und reichhaltige hawaiische Kultur
nach zu forschen. Was er lernte bestätigte seine Idee und so kam es,
dass das Projekt immer klarere Forman annahm. Die Kultur Hawaiis
floss in die Handlung mit ein und beeinflusste auch den Stil des
Films. Sanders wollte die reichhaltige Farbpalette Hawaiis ebenso
mit einbringen wie die einheimische Musik und die dazu gehörigen
Tänze. Die daraus resultierende, bebilderte fünfzehnseitige
Buchpräsentation, die Sanders entwarf und nun auch den Charakter von
Lilo beinhaltete eroberte das Herz von Sanders' Partner DeBlois.
Basierend auf dieser Grundlage von Sanders entwarfen die beiden
Partner, die sich schon von der Produktion an Mulan kannten,
gleichberechtigt die Story des Films sowie den gesamten Ton und die
Stimmung von Lilo und Stitch. Dabei entwickelten sie unter anderem
eine kontrastreiche Linie, die den Film glaubwürdiger und besonders
machte. Denn neben dem Kontrast zwischen Stitch und seiner Umwelt
findet sich in Lilo und Stitch ein Kontrast zwischen dem
aufgedrehten Humor und der unrealistischen Idee eines illegalen,
außerirdischen genetischen Experiments und den ungewöhnlich
realistischen Innenleben der Charaktere. Keine der Figuren war
perfekt oder hatte eine Gefühlswelt ohne Schäden stattdessen kommt
Lilo aus einer zerrütteten Familie und Stitch hatte gar keine
Familie.
Dass Sanders und DeBlois unbeirrt ihrer Vision nachgehen konnten
hatten sie einem ungewöhnlichen Umstand zu verdanken: Normalerweise
durchgeht ein Zeichentrickfilme mehrere Abteilungen, die aus
verschiendenen Teams bestehen, wobei jede Abteilung etwas hinzufügt
oder abändert. Bei Lilo und Stitch allerdings wurde alles von
Sanders und DeBlois so vorgegeben, dass kreative Ideen zwar erlaubt
und möglich waren, aber keine Ideen durchgehen konnten, die das
ursprüngliche Konzept veränderten oder umgingen. Dies traf vor allem
die technischen und visuellen Aspekte, während die Handlung allein
in der Hand von Sanders und DeBlios blieb.
Verantwortlich dafür, dass das Duo die Möglichkeit hatte auf diese
Art und Weise umsetzen konnten war der Artistic Coordinator Jeff
Dutton. Dieser boxte die Idee beim Studio durch, sorgte für das
Budget und sorgte für die Kommunikation zwischen den einzelnen
Abteilungen. Er selbst war stolz darauf, dass er dem Duo so die Zeit
besorgen konnte, die es brauchte um Handlung und Charaktere aus zu
reifen.
Design und Layout: Sanders’ Zeichenstil & Wasserfarben
Chris Sanders hat sein 15-seitiges Storybuch zu Lilo und Stitch mit Wasserfarben gemalt, da er stets damit arbeitet. Als Thomas Schumacher und Dean DeBlois die Zeichnungen sahen, wollten sie diesen Look unbedingt für den Film beibehalten. Schnell war klar, dass dafür zwei Dinge nötig waren: Ein Zeichenkurs, der den Animatoren zeigt, wie man es schafft so wie Sanders zu zeichnen und die Verwendung von Wasserfarben, da kein Medium deren Optik nachahmen kann.
Sanders zeichnet stets recht erdige und runde Figuren, die sehr
sanft aussehen und ihren Mittelpunkt weit unten haben. Deshalb
lautete das Motto bei den Animatoren von Lilo und Stitch: Rund es
auf. Nichts im Film durfte spitz sein. Sogar die Spezialeffekte
(Rauch, Laserschüsse, Explosionen) wurden abgerundet, so dass alles
im Film eine große, stilistische Einheit bildet.
Das Kopieren eines fremden Zeichenstils war bereits eine
Herausforderung, jedoch beunruhigte die Zeichner noch wesentlich
mehr das Verwenden der Wasserfarben. Seit Dumbo hat man diese nicht
mehr für einen Disney-Film benutzt und das nötige Wissen, um mit
ihnen arbeiten zu können war in den Disney-Studios bereits wieder
verloren gegangen.
Also lud man Maurice Noble, der bei Schneewittchen und die sieben
Zwerge mitarbeitete, in die Studios ein, damit er sein Wissen mit
den neuen Disney-Zeichnern teilen konnte.
Über die Ergebnisse war DeBlois sehr erfreut: „Wenn man mit
Wasserfarben arbeitet, passieren viele glückliche Zufälle. Das liegt
in der Natur dieses Mediums. Viel von der Beschaffenheit des Bildes
kommt davon, wie locker die Bürstenstriche sind und man kann die
Bürstenstriche nie ganz glatt polieren.“ Dies gab dem Film einen
Look, wie ihn die älteren Classic Cartoons haben. Doch das
direkteste Vorbild war Dumbo, der vom Farb- und Zeichenstil nahe an
Lilo und Stitch war.
Um den Look nicht zu zerstören und dennoch einige zugleich
interessante und nötige Effekte bieten zu können, mussten die
Künstlerischen Leiter des Films Arden Chan (Layout), Joe Gilland
(Visuelle Effekte), Eric Guaglione (Computeranimation) und Philip
Boyd sowie Christine Lawrence-Finney, lange tüfteln. Gilland und
Guaglione fanden aber tatsächlich einen Weg, unauffällig eine
Vielzahl von hochmodernen computergenerierten Elementen und Effekten
in die zweidimensionale Wasserfarbenwelt von Lilo & Stitch
einzubauen, ohne sie wie Fremdkörper erscheinen zu lassen. So sind
die Surfbretter, der Tanklaster und das gigantische Mutterschiff zu
Beginn des Films Computermodelle, die zuvor als echte Modelle zum
Anfassen erbaut wurden. Auf das Ergebnis sind sie stolz, da es
selbst für Computerspezialisten schwer war den Unterschied zum
restlichen Film zu erkennen. Das Effects-Team konstruierte auch
einige beeindruckend wirkende Unterwasser-Tricks für das
Hawaii-Intro und schaffte es, dem Publikum etwas zu präsentieren,
das es in keinem Live-Action-Film sehen wird: das Innere einer
brechenden Welle. So konnte man Lilo und die farbenprächtige Welt
von Hawaii prägnant in Szene, nachdem bereits die Sci-Fi Welt des
Films auf den Zuschauer einwirken konnte.
Des weiteren hat man die Hintergründe in den in Hawaii spielenden
Szenen zu einem Großteil tatsächlicher Landzügen nachempfunden. Man
hat die Hintergründe so gestaltet, dass Leute die schon Mal in
Hawaii waren die Landschaft wieder erkennen können.